Vom Wiederaufbau bis zum "Dritten Reich"

Auf der ersten Versammlung nach Beendigung des Krieges im Februar 1919 im Gasthof "Helvetia" waren 11 gefallene Turner zu betrauern. Mit neuem Mut zum Neuaufbau des Vereins und unter überarbeiteten Statuten wurde am 9. März im Gasthof "Zum Adler" eine neue Vorstandschaft gewählt: 1. Vorstand: Heinrich Wüst, 2. Vorstand: Georg Hack, Zeugwart: Josef Henzler, Turnwart: Karl Zimmermann, Kassenwart: Eduard Jäger, Schriftwart: Josef Späth, aktive Beisitzer: Franz Bachmor, Ferdinand Gagg, Max Bleyle und Josef Steiner.
Die Gemeindeverwaltung stellte wieder den Saal des "Hirsch" zur Verfügung, in dem während des Krieges eine Grenzschutzkompanie einquartiert war. Bereits im März wurden dort die Turnstunden offiziell wieder aufgenommen. Mit einem Schauturnen am 22. Juni und anschließendem Unterhaltungsabend im Gasthof "Engel" trat der Verein wieder hervor. Die Mitgliederzahl hatte sich vergrößert, und Erfolge blieben nicht aus. So siegten auf dem Gauturnfest in Saulgau im Juli erstmals auch Langenargener Turner.

19192 1919

Seit Juli bestand eine Turnerinnenriege mit 18 Mitgliedern. Erste Gemeinsamkeiten waren ein musikalisch umrahmter Ausflug zur Insel Mainau auf einem Kieslastschiff der Firma Adolf Wocher, das Abturnen im Gasthof "Hirsch" und eine Weihnachtsfeier im Gasthof "Zum Engel". Im Juli 1920 fand erstmals ein Schauturnen auf dem Holzplatz, dem heutigen Uhlandplatz, statt. Beim Spiel- und Sporttag in Friedrichshafen wurde der TV02 Kreismeister im Tauziehen. Auf der Hauptversammlung 1921 wurde mit Karl Maurer erstmals ein "Zöglings"-Turnwart für die Jungturner gewählt. Man griff im Übungsbetrieb hart durch und bestrafte unentschuldigtes Fehlen mit einer Buße von 1 Mark. Der Turnverein hatte nun 171 Mitglieder und erhob 6 Mark Jahresbeitrag. Wegen zu starker Beteiligung mussten aktive Turner und Zöglinge nun getrennt an zwei Abenden der Woche trainieren.
Die 1914 ausgefallene "Seebeleuchtung" konnte im August nachgeholt werden. Musiker und der Gesangverein "Frohsinn" ergänzten das Programm. Nach Sonnenuntergang strahlten Lichter und Lampions vom Schloss Montfort bis zum Kurhotel. Bei bengalischer Beleuchtung von einem im See liegenden Kieslastschiff zeigten Turner, Zöglinge und Schüler ihre Fertigkeiten. Höhepunkt war ein Feuerwerk, dessen Zutaten ebenfalls noch von 1914 stammten. Mit Lob für die gelungene Veranstaltung überwies die Gemeindeverwaltung jedem beteiligten Verein 100 Mark.

Für das 20-Jahr-Jubiläum war für stolze 6000 Mark eine Vereinsfahne beschafft worden. Die Festlichkeit im Mai 1922 umfasste ein Bankett am Samstagabend im Hotel "Schiff", eine Fahnenweihe in der St. Martinskirche unter Patenschaft der Turnerschaft Friedrichshafen sowie sportliche Wettkämpfe mit einem Städtevergleich auf dem Festplatz im Klostergarten. Mit Tanz im Hotel "Engel" schloss die Veranstaltung. 1923 wurde Hermann Ruß Turn -wart der neu gegründeten Turnerinnen- Abteilung und Otto Kees Mädchenturnwart. Auf Veranlassung von Dr. H. Lossen wurde der Fußballverein vorübergehend dem TV02 angegliedert.
Trotz der schweren Zeit besuchten Langenargener Turner bei einem Beitrag von 5000 Mark das Deutsche Turnfest in München. Die Maß Bier kostete dort zunächst 3000, später 15000 Mark, und die Turner mussten mindestens 1/2 Million Mark bei sich haben. 1924 stellte Adolf Wocher, zusätzliches, passives Mitglied des Turnrats, eine Wiese an der Argen als Sportplatz zur Verfügung.Im Juli 1925 wurde der Erfolg der Turner auf dem erstmals besuchten Landesturnfest in Ulm mit einem würdigen Empfang durch Vertreter der Gemeindeverwaltung, die Bürgerkapelle, den Gesangverein "Frohsinn" und durch Mitglieder und Einwohner gefeiert. Ein Fackelzug begleitete die Turner vom Bahnhof zur Siegesfeier im Gasthof "Engel".
Weitere Erfolge schlossen sich 1926 an, u.a. auf dem Gauturnfest in Weingarten und beim Vergleich der Geräteturner mit dem Turnerbund Ravensburg. Mit zunächst 12 Mitgliedern wurde im Oktober eine Ringer-Abteilung gegründet und auf Anregung von Hauptlehrer Thum auch eine Schwimmabteilung. Das Jahr 1927 hatte mit einem prächtigen Turnerball begonnen. Als Attraktion traten 8 chinesische Künstler auf. Auf der Hauptver-sammlung im Februar änderten sich Vorstandschaft und Turnrat grundlegend mit Karl Dippon als neuem Vorstand und Josef Henzler als 2. Vorstand. 1. Turnwart blieb Karl Maurer; 2. Turnwart und zugleich Kassierer wurde Eduard Jäger. Frauenturnwart blieb Hermann Ruß. Beisitzer wurden Alfons Wocher, Franz Krayer, August Jäger, Georg Hack und Benedikt Albrecht.
Zugleich mit den Gaumeisterschaftswettkämpfen im Juni 1927 wurde auch das 25jährige Gründungsfest des TV02 gefeiert. Im September wurde erstmals ein Geräteturnen um einen Wanderpreis ausgetragen. Den hatte Hans Egger, inzwischen nach Amerika ausgewandert, gestiftet. Preisträger wurde erwartungsgemäß Karl Maurer. Auch das Jahr 1928 brachte Erfolge u.a. bei den Frühjahrswaldläufen in Kressbronn und den Gauturnfesten in Lindenberg und Riedlingen. Auf dem Deutschen Turnfest im August in Köln errangen die Turner im Vereinswetturnen sogar einen 1. Preis. Bei ihrer Rückkehr wurde ihnen wieder ein großer Empfang bereitet. Bei den Gau-Schwimmwettkämpfen im August wurde Xaver Meichle Jugendmeister über 50 m Brust. Beim Gauspieltag im August belegte die seit 1926 bestehende Faustball-Abteilung immerhin einen 5. Rang, obwohl noch kein regulärer Übungsplatz existierte. Wegen der fehlenden Sportflächen mussten die ebenfalls dem Turnverein angehörenden "Volksturner" (Leichtathleten) ihre Läufe auf der Bahnhofstraße in Langenargen austragen. Doch Autos gab es damals kaum! Verletzungen wurden mit "Vor-lauf" (Obstalkohol-Destillat) kuriert. Für Weitsprung gab es nur eine primitive Sandgrube vor der Turnhalle, die nach jedem Regen tagelang "Land unter" lag! Hochsprung geschah im Grünen oder in der Turnhalle mit Hilfe einer Kokosmatte. Dank der rührigen Aktivitäten gab es auch hier schöne Erfolge. Überlegen holte sich K. Maurer wieder den Hans-Egger Wanderpreis.
Vom inzwischen zu klein gewordenen Vereinslokal "Krone" wechselte der Verein 1929 in den Gasthof "Zum Bahnhof" der Familie Magg. Schon im Februar fand hier ein vereinsinterner Turnerball statt, anstelle des bisher üblichen Balls im Hotel "Schiff". Dafür wurde dort im April ein großes Werbeturnen veranstaltet. Oberturnwart Maurer war durch seine Verdienste um das Turnen im weiten Umkreis bekannt und konn te so auch Vertreter benachbarter Turnvereine als Gäste begrüßen. Eine Riege unter Oberturnwart K. Maurer errang auf dem 42. Schwäbischen Landesturnfest in Heilbronn in der Stärkeklasse C unter 209 teilnehmenden Vereinen den 1. Preis, und wurde sogar zu einer Sondervorführung ausgewählt. Bei den Gau-Wettkämpfen der Mannschaften am 18. August in Schussenried erreichten die Geräteturner einen überlegenen Sieg in der Stärkeklasse B. Wiederholt wurden die Turner zu Schaukämpfen in die Nachbarschaft eingeladen. Sie führten als Leistung besonderer Art auch "Sprünge über den hohen Tisch" vor. Mit dem dritten Gewinn verblieb der Hans-Egger-Wanderpreis nun bei Karl Maurer.
Das Vereinsleben hatte sich trotz der wirtschaftlich schwierigen Jahre prächtig entwickelt. Auch normale Wettkämpfe wurden oft auch von Gesangsdarbietungen umrahmt. Wie manch andere, so hatte auch der Langenargener Turnverein damals eine eigene Sängergruppe. Auf dem Holzplatz (heute Uhlandsplatz) wurden die beliebten Werbeturnen durchgeführt, u.a. mit akrobatischen Vorführungen von Otto Kees und Sohn Walter. Im Dezember 1929 fand erstmals eine Jugendweihnacht im Hotel "Engel" statt. Mit seinen Erfolgen, mit Schauturnen, Wanderungen, Theatervorführungen, Weihnachtsfeiern und nicht zuletzt mit seinen Turnerbällen hatte der TV02 hohes Ansehen erworben. Der deutliche Zuwachs an Mitgliedern erforderte nun tägliche Trainingsstunden (außer samstags), selbst am Sonntagvormittag nach dem Gottesdienst.
Auf der Hauptversammlung im Januar 1932 wurde das Handballspiel offiziell eingeführt und Adolf Jäger mit der Leitung betraut. Wegen Engpässen bei der Sportplatzbenutzung stellten Anton Magg und Bürgermeister Alfred Wocher einige Wiesen beim "Brunnenwässerle" nahe der Argen als Spielgelände zur Verfügung. Unter Beteiligung der Bürgerkapelle und der Turner fanden im Sommer ein "Seenachtfest" mit Schlossbeleuchtung und erstmalig im Gondelhafen das "Fischerstechen" statt. Der ehemalige TV02-Vorstand Josef Weisser (1919 bis 1921) hatte diese Idee von seiner Vaterstadt Ulm mit an den See gebracht. Obwohl das 30jährige Vereinsjubiläum noch gebührend gefeiert werden konnte, wirkte sich die allmählich zunehmende wirtschaftliche Not jener Zeit nun auch auf das Vereinsleben hemmend aus. 

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